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Leben, Meinungen und Taten von Carl Arnold Kortum, dem Literaten, und wie er sich weiland viel Ruhm erwarb, vor zweihundert Jahren schließlich in Bochum starb

Der Name Kortum dürfte allgemein in Bochum ein Begriff sein. Täglich flanieren tausende Menschen über die Kortumstraße, Bochums zentrale Einkaufsmeile, kaufen im Kortumhaus die neuesten Elektronikartikel und erholen sich auf den Wiesen des Kortumparks. Ob all diese Menschen auch wissen, dass der Namensgeber Carl Arnold Kortum kein Kaufhausgründer, sondern ein zu seiner Zeit bedeutender Schriftsteller und Bergarzt war, steht jedoch auf einem anderen Blatt.

Wofür Carl Arnold Kortum (1745-1824), der seit 1770 in Bochum lebte, vor allem bekannt ist, zeigt eine Bronzemedaille (montan.dok 030350539001), die sich in den Musealen Sammlungen des Montanhistorischen Dokumentationszentrums (montan.dok) befindet. Die Stadt Bochum ließ sie 1924 anlässlich seines 100. Todestages in einer Auflage von 1.000 Stück prägen. Der Entwurf stammt von Alfred Vocke. Die Vorderseite der Medaille zeigt in der Mitte ein Brustbild Kortums im Linksprofil. Die Umschrift lautet: „Dem Dichter der Jobsiade Dr. C. A. Kortum“. Außerdem ist sein Todesdatum angegeben: „Zu Bochum 15. August 1824“. Auf der Rückseite sind wiederum neun verschiedene Motive aus dieser Jobsiade zu sehen.

 

Doch was verbirgt sich hinter dem Wort „Jobsiade“? Es ist die Kurzform des Titels von Kortums überaus erfolgreichem satirischen Werk „Leben, Meynungen und Thaten / von Hieronimus Jobs dem Kandidaten, / und wie er sich weiland viel Ruhm erwarb / auch endlich als Nachtswächter in Sulzburg starb“, dessen erste Ausgabe 1784 erschien. Sie war „Vorn, hinten und in der Mitten / Geziert mit schönen Holzschnitten“ und enthielt „Eine Historia lustig und fein / In neumodischen Knittelverselein“. Die Satire dreht sich um die Lebensstationen der fiktiven Figur des Theologiestudenten Hieronimus Jobs, der hauptsächlich durch Bummelei und Nichtsnutzigkeit auffällt. Bezeichnend dafür ist Jobs‘ Scheitern beim Examen, das als wohl berühmteste Szene der Jobsiade als Brunnen auf dem Bochumer Husemannplatz verewigt wurde. So weiß er beispielsweise auf die Frage, wer die Apostel gewesen seien, nur zu antworten: „Apostel nennt man große Krüge / Darin gehet Wein und Bier zur Genüge, / Auf den Dörfern und sonst beim Schmaus / Trinken die durstigen Bursche daraus.“ 

 

Auch wenn manche Erzählungen über Hieronimus Jobs durch Erlebnisse aus Carl Arnold Kortums eigener Studienzeit beeinflusst sein mögen, so kann man ihm doch sicher nicht vorwerfen, er sei ein Faulenzer gewesen. Der in Mülheim an der Ruhr geborene Sohn eines wohlhabenden Apothekers begann 1763 sein Medizinstudium an der Universität Duisburg, wo er sich als fleißiger und gewissenhafter Student hervortat. Nach sechs Semestern schloss er sein Medizinstudium planmäßig ab und entsprach damit nicht dem Bild vieler Studenten, das er in der Jobsiade beschrieb: „Die meisten aber, anstatt zu studiren / Thaten nur ihre Gelder verschlemmiren / Und lebten lustig und guter Ding, / Indessen die edele Zeit verging.“ Darüber hinaus promovierte Kortum mit einer Arbeit über Epilepsie und absolvierte ein Zusatzstudium in Berlin, um die Approbation als Arzt zu erhalten. 1770 ließ er sich schließlich als praktischer Arzt in Bochum nieder, der damals mit 1.500 Bewohner:innen noch recht beschaulichen Heimatstadt seiner Ehefrau. Er war damit der einzige akademisch gebildete Arzt im gesamten Landkreis.

 

Neben seiner Tätigkeit als Arzt und Dichter ist Carl Arnold Kortum auch mit Arbeiten zur Chemie, Hermetik, Philosophie und Alten Geschichte hervorgetreten. Der Grund für den Erwerb der hier beschriebenen Medaille durch das damalige Bergbau-Museum Bochum im Jahre 1967 dürfte indessen eher in der Verbindung Kortums zum Bergbau zu suchen sein. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts setzten im westfälischen Bergbaurevier allmählich Professionalisierungsprozesse ein. Dies betraf auch den gesundheitlichen und medizinischen Bereich. Ab 1767 wurden die ersten Knappschaften gegründet, die – neben der sozialen Absicherung – erkrankten oder verletzten Bergleuten auch eine medizinische Versorgung durch spezielle Bergchirurgen garantierten. Häufige Beschwerden über diese von den Knappschaften angestellten Bergchirurgen führten jedoch dazu, dass diese unter die fachliche Aufsicht von akademisch ausgebildeten Ärzten gestellt wurden. Mit der Einrichtung des Westfälischen Oberbergamts in Wetter im Jahre 1792 wurde Dr. Kortum daher die Funktion des ersten Bergarztes in den preußischen Gebieten nördlich der Ruhr übertragen.

 

Die Aufgabe des Bergarztes bestand hauptsächlich in der fachlichen Aufsicht über die Knappschaftsärzte und in der Beratung des Oberbergamts. Aus den Patientenbüchern von Kortum geht hervor, dass nur 3 % seiner Patienten Bergleute waren. Dies verdeutlicht, dass die studierten Bergärzte in der Regel nur besonders schwere Fälle persönlich untersuchten. Ihre Aufgabe bestand vielmehr darin, die Qualität der medizinischen Versorgung zu kontrollieren, Gutachten bei Beschwerden über die Knappschaftsärzte zu erstellen oder auch Anleitungen zu verfassen. Eine „Anleitung zur Ersten Hilfe für Ertrunkene und Erstickte“ aus der Feder Kortums riet zum Beispiel zur Mund-zu-Mund-Beatmung als Wiederbelebungsmaßnahme. Dass er als Alternative dazu auch das Einblasen von Tabakrauch in den Mastdarm vorschlug, mutet aus heutiger Sicht allerdings eher skurril an, entsprach damals aber durchaus dem Stand der Wissenschaft.

 

Als Carl Arnold Kortum nach jahrzehntelangem Wirken in Bochum am 15. August 1824 starb, wurde er auf dem damaligen „Neuen Friedhof“ der Stadt beigesetzt. Heute ist dies der eingangs erwähnte Kortumpark. Noch heute kann man dort das von ihm selbst entworfene Grabmal besichtigen. Die Kortumstraße und das Kortumhaus haben dagegen keinen unmittelbaren Bezug zu ihm. Das nach ihm benannte Kaufhaus erhielt diesen Namen sogar erst 1934 im Zuge der so genannten Arisierung, nachdem die ursprünglichen jüdischen Eigentümer, die Gebrüder Alsberg, zum Verkauf genötigt worden waren. Noch heute werden Medaillen mit einem Brustbild Kortums geprägt. Die Medizinische Fakultät der Ruhr-Universität verleiht nämlich Persönlichkeiten, die sich um die Bochumer Medizin besonders verdient gemacht haben, die Kortum-Medaille.

 

01. August 2024 (Andreas Ketelaer, M. Sc.)

 


Literatur

Montanhistorisches Dokumentationszentrum (montan.dok) des Deutschen Bergbau-Museums Bochum 030350539001.

 

Brand, Eberhard: „… klar, der Kaufhausgründer!“ – Carl Arnold Kortum und die Bochumer, in: Kortum-Gesellschaft Bochum e. V. (Hrsg.): Carl Arnold Kortum. 1745 – 1824. Arzt, Forscher, Literat, Essen 1995, S. 166-173.

 

Dörnemann, Kurt: „Leben, Meynungen und Thaten von Hieronimus Jobs dem Kandidaten“. Verse aus den Hauptkapiteln und Holzschnitte von Erich Schürbusch. Ein Geleit durch Dr. Kortums Gedicht, in: Kortum-Gesellschaft Bochum e. V. (Hrsg.): Carl Arnold Kortum. 1745 – 1824. Arzt, Forscher, Literat, Essen 1995, S. 152-163.

 

Fessner, Michael: Der märkische Steinkohlenbergbau zur Zeit Dr. Carl Arnold Kortums – Staatliche Bergverwaltung und Knappschaftsgründung, in: Kortum-Gesellschaft Bochum e. V. (Hrsg.): Carl Arnold Kortum. 1745 – 1824. Arzt, Forscher, Literat, Essen 1995, S. 58-69.

 

Graumann, Sabine: „Das akademische Leben viel Reizendes hat …“. Kortum als Student der Medizin an der Universität Duisburg und als Praktikant an der Berliner Charité, in: Kortum-Gesellschaft Bochum e. V. (Hrsg.): Carl Arnold Kortum. 1745 – 1824. Arzt, Forscher, Literat, Essen 1995, S. 82-91.

 

Müller, Irmgard: Kortum als Arzt, Alchemist und Volksaufklärer, in: Kortum-Gesellschaft Bochum e. V. (Hrsg.): Carl Arnold Kortum. 1745 – 1824. Arzt, Forscher, Literat, Essen 1995, S. 92-103.

 

Online-Portale: montandok.de. Unter: https://www.montandok.de/objekt_start.fau?prj=montandok&dm=Montanhistorisches%20Dokumentationszentrum&ref=65575 und museum-digital. Unter: https://nat.museum-digital.de/object/1068254 sowie Deutsche Digitale Bibliothek. Unter: http://www.deutsche-digitale-bibliothek.de/item/PAZFQWS2O4GFE2IQNVV4W4NH4MG5D4C6 (Eingesehen: 30.06.2024).